Glossar

Bildsprache

René Gisler

Bildsprache ist ein wirreführender Begriff. Als Ausdruck einer symbiotischen Hassliebe zwischen Bild und Sprache im engeren Sinn, erzählt sie die Jahrhunderte währende Vereinnahmung des Bildes durch die Sprache und die Instrumentalisierung der Zeichnung durch das Schreiben. Das Bild war zuerst da und ermöglichte die Entstehung der Schrift. Mit der Erfindung des Alphabets trat die Unmittelbarkeit der Zeichnung zunehmend in den Hintergrund. Das Denken in Bildern und die Fähigkeit des Zeichnens (z. B. als Kind) bleibt aber die Basis jeder Beschreib- und Schreibkompetenz. Denn das Bild kann mehr als illustrieren. Es kann Realitäten ausdrücken und Prozesse auslösen, begleiten und vermitteln, für die weder Schriftgelehrte noch Schriftstellerinnen Worte finden. Bildsprache ist nicht nur süss sondern mächtig.

Biozönose

Jean-Pierre Grüter

Die Biozönose ist eine Lebensgemeinschaft von unterschiedlichen Organismen in einem definierten Lebensraum (Biotop). Die Lebewesen stehen in einer Wechselbeziehung und in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis. Es kann ein Ungleichgewicht in diesem Abhängigkeitsverhältnis und in dieser Wechselbeziehung entstehen, wenn eines der Lebewesen der Biozönose in der Lage ist, seine Mitorganismen in einem schöpferischen Akt nach ästhetischen Kriterien selber zu kreieren oder auch wieder zu vernichten. In einer solchen künstlichen und künstlerischen Biozönose sind es nicht wechselseitige biologische und biochemische Prozesse, welche die Beziehungen definieren, sondern einseitige unbewusste und bewusste psychologische, assoziative und ästhetische Kräfte, welche die Gemeinschaft bilden und unterhalten. Dieselben Faktoren entscheiden auch über die Wahl und die Ausgestaltung des Biotops, in welchem die Biozönose stattfindet.

Dunkelheit

Linda Cassens Stoian

In English, darkness, a place or time that is unlit. Some beautiful associations are dusk, twilight, or nightfall when shadows begin to overpower the light of day. In his essay "The Significance of the Shadow" (2007), Juhani Pallasmaa claims that "deep shadows and darkness are essential, because they dim the sharpness of vision and invite tactile fantasy." One of his most poignant examples is of the old Japanese tradition "of the blackened teeth of the geisha and her greenblack lips as well as her white painted face” intended to emphasize the darkness and shadows of the room."

Feld

Jean-Pierre Grüter

Ein Feld ist ein von einer zusammenhängenden Fläche oder von einem Inhaltskomplex abgetrennter oder ausgegrenzter Teilbereich. Die Grenze eines Feldes ist sichtbar oder begrifflich definiert. Ein Feld wird beackert, bespielt, bearbeitet – man bezieht sich oder bekriegt sich darauf. Für eine Künstlerin oder einen Künstler gilt es die Grenzen eines Feldes zu erkennen, darzustellen und das dadurch definierte Teilstück zu bespielen. Das Bespielen wiederum setzt die Definition von Spielregeln und die Wahl von Medien und künstlerischen Methoden voraus. So können künstlerische Eingriffe bezogen auf definierte Aktionsfelder ganz unterschiedliche Formen annehmen und mit allen möglichen Sinnen wahrnehmbar sein. Sie können in materieller Form einen Ort prägen, als ephemerer Vorgang ein Feld vorübergehend bespielen und beeinträchtigen oder als Vision über einem Feld schweben – ähnlich einem elektromagnetischen Feld in der Physik.

Gedankengänge

René Gisler

Gedankengänge stehen hier im Plural, weil sie im Singular real gar nicht existieren dürften. Gedanken gehen eigene Wege. Versucht man ihren Gang allzu zielführend zu gestalten, verlieren sie neben der Lust am Herumstreunen auch ihr Potential. Sie wollen ausbrechen und mal die Türe links oder rechts im Flur öffnen. Stellt sich das Betreten des unbekannten Zimmers als Irrweg heraus, kehrt das Denken um (lässt die Türe aber offen) und sucht sich ein nächstes Etappenziel. Manche Türen sind verschlossen, und man findet den passenden Schlüssel nicht. Keine Panik! Die meisten Zimmer verfügen über ein Fenster oder einen Nachbarraum, welcher als pragmatischer Umweg dienen könnte. Am Ziel angelangt, gehen die vielen Gänge dem Denken leider abhanden und zurück bleibt nur ein einziger Gedankengang.

Gemeinschaft

Peter Spillmann

Gemeinschaft.
Gewachsen, gebildet, einfach so, gebaut, behauptet, konstruiert;
als Gegebenheit, aus Not, aus Solidarität, aus Freundschaft, durch Kalkül;
erzwungen, erkämpft, bekämpft, gemieden, betrogen, bedroht, verloren;
herbeigesehnt, eingebildet, eingeschworen, radikalisiert, idealisiert;
fachlich, sozial, religiös, sexuell, politisch, wirtschaftlich;
wir, sie, alle, einige ausgewählte, andere;
offen, geschlossen, geteilt; und was sonst noch?

Institution

Rachel Mader

Institutionen sind Behauptungen, seien es nun Bundesämter oder künstlerische Initiativen. Als solche brauchen sie inhaltliche Setzungen um Form anzunehmen, Rituale zu ihrer Aufrechterhaltung und Erzählungen zu ihrer nachhaltigen Pflege. Die gängige Wahrnehmung allerdings fasst Institutionen als starre Strukturen mit überbetonten Hierarchien. Dagegen haben sich in den letzten Jahrzehnten eine ganze Reihe von institutionskritischen Überlegungen und Aktivitäten ausgebildet, vorerst mit dem Ziel die Mechanismen offenzulegen und immer mehr in der Absicht, sie anzugreifen, zu destabilisieren oder gar auszuhebeln. Die in jüngster Zeit zunehmende Ausrufungen von Institutionen durch Künstler*innen sind die selbstbewusste, häufig witzig-ironische und produktive Appropriation eines gesellschaftlichen Phantasmas– gerade wenn es sich nur um strukturelle Phantome handelt.

Interieur

Marina Belobrovaja

Zu Gast bei Alex, Claudia, Johanna, Pascal, Siri, Sophie, Stella:
Altar 1
Apfel 1
Besteck 1
Bett 3
Bild 8
Brille 3
Buch 177
Buddha 1
Computermaus 2
Decke 1
Djembe 1
Drucker 1
Einmachglas 1
Essig 1
Etui 2
Farbe 6
Fernseher 1
Foto 65
Fotochemikalien 1
Fotokamera 3
Gebissabguss 1
Getränk 2
Gitarre 3
Glas 4
Globus 1
Halsspray 1
Handcreme 1
Handy 3
Hocker 1
Holzdrache 1
Ikone 1
Kabel 8
Kaffeemaschine 1
Kälberfötus 1
Kalimba 1
Kanne 3
Keramikfigur 1
Kerze 1
Kissen 6
Kleiderständer 1
Klopapier 1
Lampe 5
Laptop 4
Lautsprecher 5
Marionette 1
Mindmap 1
Muschel 1
Nagelpilzlack 1
Notizbuch 10
Öl 3
Papier 3
Pfanne 1
Pflanze 21
Pinsel 15
Plakat 6
Plattenspieler 2
Postkarte 2
Putztuch 1
Regal 5
Salzstreuer 1
Samen 1
Schale 3
Schaufensterpuppe 1
Schlüsselbund 2
Schmetterling 3
Schrank 6
Schutzengel 1
Scooter 1
Sessel 2
Sockel 1
Socken 2
Sofa 3
Spiegel 1
Spiel 3
Sprühflasche 1
Stativ 2
Stein 1
Stereoanlage 1
Stift 13
Stoffsack 1
Stofftier 3
Stuhl 7
Tablett 1
Taschentuch 1
Tasse 3
Tastatur 1
Teller 1
Teppich 1
Thermosflasche 1
Tisch 11
Traumfänger 1
Trockenblume 6
Ukulele 1
Vase 1
Vitrine 3
Vogelkäfig 1
Vorhang 4
Windspiel 1
Zeitung 1

Klang

Studer/van den Berg

Das Wort Klang stellt einen Zusammenhang her zwischen physikalisch beschreibbaren Wellenmustern und der Qualität ihrer Wahrnehmung. Obwohl Klänge in ganz unterschiedlichen Bereichen – Farben etwa – auftreten können, verbinden wir die Bezeichnung häufig mit akustischen oder musikalischen Tonereignissen. Ohne Körperlichkeit kann es keinen Klang geben: Ein akustischer Klang wird als Schwingung in einem Körper erzeugt, wird in einem Raum(körper) übertragen und bringt als Empfänger den Körper des Hörers zum Mitschwingen. Diese Kette von Resonanzen erst macht aus einer Welle einen Klang, den wir qualitativ empfinden können; sie macht für uns als Wahrnehmende die Beziehung zu den Körpern und Räumen möglich.

Konzentration

Jerome Ming

The ability to think about what one is doing, like observing, listening, touching, tasting or reading, such as this text requires some level concentration. Another concentration is a large number of people or things squeezed into the same space. Concentrations can be diluted. Lost. Eliminated. What happens in the concentrated mind, which can pass from the brain to our hands, eyes, or ears sometimes results in a creative response. Though, thick clouds of thought can be detrimental to the intent of creation. We may over concentrate to find resolutions which may never need further articulation. An engagement toward creativity with concentrated simplification can be enough for a meaningful dialog.

Kunst

Peter Spillmann

Früher einmal erfasste der Begriff Kunst jede Tätigkeit von Menschen, die auf Wahrnehmung, Vorstellung, Wissen und den daraus folgenden Fertigkeiten basierten. Im Grunde war alles Kunst, was nicht Natur ist. Irgendwo auf dem Weg von der Aufklärung in die Moderne gewinnen aber die in eher peripheren Bereiche wie Musik, Malerei oder Literatur tätigen Akteure und etwas später auch ihre Arbeiten unerwartet viel Aufmerksamkeit. Nicht wenige der fortan als Künstler*innen bezeichneten Subjekte/Spezialisten litten allerdings schwer unter diesem, sie vom Rest der Gesellschaft trennenden Sonderstatus und entwickelten eifrig alle möglichen Strategien, sich dem Erwartungsdruck zu widersetzen und das Publikum zu enttäuschen. Sie wurden dabei stets von der Kritik dicht verfolgt und von und einem sich ausdifferenzierenden wissenschaftlichen Bemühen begleitet, das Geschehen einzuordnen. Selbst die gewagtesten avantgardistischen Experimente konnten allerdings das stetige Wachstums eines immer komplexer werdenden Systems aus Institutionen, Magazinen und Biennalen und die Herausbildung eines professionellen Netzwerks von Akteur*innen nicht mehr stoppen. Der Kunstbetrieb hat dann bis zum Ende des letzten Jahrhunderts im Zeichen von Demokratisierung viel von seinem elitären Status eingebüsst, grosse Ausstellung und Kunstevents sind heute so populär wie nie zuvor. Das wiederum haben auch Investoren mitbekommen und Kunstwerke im 21. Jahrhundert zur sicheren Anlage erklärt. Und da sich Kunstschulen schon länger von der Idee verabschiedet haben, Kunst unterrichten zu können, wird hier zurzeit viel über künstlerische Praxis, in between und crossings gesprochen. Damit sind Strategien gemeint, die in unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären dazu beitragen können, Verbindlichkeiten zu schaffen oder Bedeutungen zu generieren.

Künstler

Lena Eriksson

Ein Künstler ist ein männlicher Mensch der Kunst macht. Oft sind auch Künstlerinnen Künstler oder bezeichnen sich so. Künstler*in kann ein Beruf sein. Künstler*innen sind wichtig. Viele Künstler*innen erarbeiten ihr Selbstverständnis an Schulen. Es kann aber auch eine persönlich gewachsene Entscheidung sein. Viele Künstler*innen schaffen sich eigene professionelle Rahmungen für Auftritte und Austausch. Künstler*in ist keine geschützte Berufsbezeichnung. Viele Berufsverbände haben deshalb den Zusatz "professionell" eingeführt. Viele Künstler*innen in Europa sind freischaffend. Die Spielregeln des Kunstmarktes sind nicht für alle interessant. Darum müssen sie sich ihr Grundeinkommen anderweitig organisieren. Tagesstrukturen von Künstler*innen unterscheiden sich immer weniger von denen von nicht Künstler*innen. Umstritten ist aber, ob diese dann noch Künstler*innen sind oder doch mehr Arbeiter*innen. Künstler*innen sind widerstandsfähig wie Kapern. Sie setzten sich dem Leben und im Betriebssystem Kunst aus, gegen Zweifel von Innen und Aussen.

Macht

Sabine Gebhardt Fink

Machtgefüge zu analysieren, sichtbar zu machen und performativ zu verschieben, ist eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe künstlerischer und aktivistischer Strategien. Dabei verstehen wir im Master Kunst Machtgefüge mit Philosophen wie Friedrich Nietzsche, Michel Foucault und Soziolog*innen wie Aurore Koechlin oder indigenous studies scholar Eve Tuck als ungleiche und Missverhältnisse zementierende, intersektionale Beziehungsstrukturen: zwischen Alten und Jungen, verschiedenen Geschlechterrollen, Klassen, Tier-Menschbeziehungen, ethnischen Zuschreibungen, sowie zwischen privilegierten und benachteiligten Räumen und Orten. Auf eine theoretisch-kritische Auseinandersetzung mit diesen Strukturen, die sich oft in Repräsentationen – wie Architektur, Werbung, gouvernementalen Prozessen aber auch Schulstrukturen etc. zeigen – folgt die kollaborative, selbstgesteuerte Entwicklung einer aktivistischen\künstlerischen Strategie sowie die Vernetzung und Umsetzung in konkreten Situationen, Institutionen, sowie in Arbeits- oder Lebensverhältnissen. Eine besondere Rolle kommt aus meiner Sicht dabei performativen Formen wie eye-witnessing der Hongkonger Künstlerin und Forscherin Wen Yau, Haltungen von «humanimals» wie in Dorothea Rust «L’animoteur» oder gemeinsamen politischen Anliegen zu, wenn diese performativ zur Disposition gestellt werden. Ziel ist unsere Idealisierungen des «singulären» Subjekts zu problematisieren und die abendländische Philosophie damit zu konfrontieren, sich ihrer kolonialen wie postkolonialen Anmassungen bewusst zu werden (…)» (Adorf/Gebhardt Fink, Feministische Strategien in der Performance Kunst: Disobedient Bodies, FKW 67: 006, 006-016, April 2020 www.creativecommons.org )

Mutterschaft

Marina Belobrovaja

Mutterschaft umfasst Schwangerschaft, Geburt, Pflege und Erziehung der Kinder.
– Historisches Lexikon der Schweiz
Mutterschaft umfasst Schwangerschaft und Niederkunft sowie die nachfolgende Erholungszeit der Mutter.
– Schweizerisches Zivilgesetzbuch
Mutter eines Kindes ist die Person, die es geboren hat, oder ein von ihr bestimmter Ersatz.
– Antje Schrupp, Politikwissenschaftlerin
Mutterschaft ist mehr, als Kinder zu bekommen. Sie ist der Inbegriff dessen, wer wir als Frau sind.
– Kirche Jesu Christi
Mutterschaft ist heute eine wahre Sklaverei.
– Simone de Beauvoir, Philosophin
Auf die eine oder andere Weise steckt in jeder Frau eine Mutter.
– Tanja Draxler, Coach
Als ich Mutter wurde, verlor ich mich irgendwie selbst.
– Gisele Bündchen, Model
Mutterrolle gehört zu den größten Anpassungsleistungen, die eine Frau in ihrem Leben zu bewältigen hat.
– Christiane Borchard, Hebamme
Mutterschaft wird in drei Aspekten unterschieden – biologische, rechtliche und soziale Elternschaft.
– Wikipedia
Mutter: Mopsi, Mama.
– Lexikon der Jugendsprache
Frau sein bedeutet für mich, Mutter sein zu können.
– Margaret Dealtry, 80, Englischlehrerin
Frauen geniessen während einer Schwangerschaft und in den Monaten nach der Entbindung besonderen Schutz.
– Schweizerische Bundesverfassung
Mit der Geburt eines Kindes verschwindet Frau gleich von beiden Märkten, die gesellschaftlich relevant sind: vom Arbeits- und vom Sex- oder Romantikmarkt.
– Nadja Brenneisen WOZ
Ich werde eine gute Mutter sein. Bei meinen Kindern werde ich nicht um den heißen Brei herumreden.
– Katy Perry
Eine gute Mutter ist eine, die es schafft, die richtige Distanz zu ihrem Kind zu halten.
– Élisabeth Badinter
Mütter sind durch das Gesetz besonders geschützt.
– Staatssekretariat für Wirtschaft
Muttersein und Frausein, das sind zwei Identitäten, die nicht unbedingt miteinander vereinbar sind.
– Élisabeth Badinter
Wenn eine Frau Mutter wird, verändern Hormone und Lernprozesse im Umgang mit ihrem Kind auch viel in ihrem Gehirn.
– Kathryn Abel, Wissenschaftlerin
Es ist eine Schande, dass Frauen sich immer noch zwischen Mutterschaft und allem anderen entscheiden müssen.
– Laurie Penny Autorin
Frauen sollen Mütter sein. Mütter, die bereuen, bringen dieses Rollenbild ins Wanken, und das ist bedrohlich.
– Orna Donath, Soziologin
Heute ist es egoistisch und reaktionär und antiökologisch und antifeministisch, Kinder zu haben.
– Verena Brunschweiger, Publizistin

Schule

Debora Gerber

Der Begriff Schule impliziert für viele Hierarchie und Pflicht. Im Master Kunst sind unter anderem werdende Lehrer*innen wieder Studierende. Die Schule ist ein Ort, an welchem Meinungen und Werte gebildet und diskutiert werden. Die Schule als Institution dient als Ort der Vermittlung und der Begegnung. Fähigkeiten werden erlernt und ausgetauscht. Denn lernen ist nicht nur ein kognitiver Prozess, der Mensch mit all seinen Sinnen und seiner gesamten Körperlichkeit ist eingebunden. Systeme und Institutionen zu hinterfragen aufzubrechen und sichtbar zu machen, ist eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe (künstlerischer Strategien). Welche Leistungen kann das System Schule für andere Systeme übernehmen? Und welche Leistungen werden vom System Schule von anderen Funktionssystemen in Anspruch genommen. Können in einem Leistungssystem überhaupt Hierarchien hinterfragt und aufgebrochen werden?

Schwein 1

René Gisler

Wir haben Schwein gehabt. Immer wieder. Immer noch. Doch es war nicht immer das gleiche Schwein. Als es noch ein Zuhaustier war, wurde es gehegt und gepflegt. Es war quasi ein Teil der Familie. Wenn auch zu einem anderen Zweck bestimmt als die anderen Familienangehörigen. Die Bestimmung des Tieres bestand darin, sich mit Haut und Haar hinzugeben (inklusive Leben). Wer ein Schwein hatte, konnte sich glücklich schätzen. Und das Glück des Tieres war es, sich selbstlos in sein Los zu schicken. Mit absehbarem Ende zwar aber immerhin zum Wohl der Familie. Die Familien wurden kleiner. Das Schwein lebt nun im Séparée unter hunderten seinesgleichen. Und mit dem Verlust seiner Familie ist auch Schwein sein geschwunden. Was uns nicht daran hindert, es als Glücksbringer zu verwenden.

Schwein 2

Linda Cassens Stoian

In English, swine or pig. Since the 15th century, pig has been used as an insulting term for people, as of 1811 in London, for officers of the law, and was taken up and used with malicious hatred especially in the US by hippies and flower children as of the 1960s, e.g., in the events leading up to the May 4, 1970, Kent State shootings of unarmed students during a peace rally against the Vietnam War, after refusing to obey an order to disperse and being doused with tear gas, protesters threw rocks and shouted "Pigs off campus;" in English, the meat from a pig is called pork, while Porky Pig, a term which appears to be a tautology, is a Looney Tunes character, who first appeared in 1935. He stutters and his most famous line is "Th-th-th-that's all folks!"

Selbstdarstellung

Rachel Mader

Hat sich das Selbstbildnis in seinen Anfängen in der Renaissance mit dem Zweck der Vorführung der künstlerischen Handschrift in die Bilderzählung nachgerade eingeschlichen, so ist der je nach dem reflektierte, aber in jedem Fall arrangierte Auftritt heute internalisierter Bestandteil einer künstlerischen Existenz. Die Wahl einer dem künstlerischen Ausdruck entsprechende Rolle ist unterdessen eine eigenständige Fragestellung, der sich Künstler*innen und Kunstwissenschaftler*innen zwar in gleicher Intensität, aber nicht unbedingt mit demselben Interesse widmen. Beide aber tragen sie dazu bei, dass Kunst heute kaum unabhängig von ihren Produzent*innen verstanden zu werden geglaubt wird. Selbstdarstellung – ob explizit oder nicht – ist also Teil der künstlerischen Praxis und ihres Verstehens.

Site specific

Rachel Mader

Ortsspezifizität – das kaum je ohne Stolpern auszusprechende deutsche Pendant von ‘site-specific’ – war in mehrfacher Weise emanzipatorisch gedacht: die scheinbare Autonomie des künstlerischen Ausdrucks sollte zu Gunsten einem Interesse und einer Sensibilität gegenüber des, die Produktion umgebenden Kontextes eingelöst werden; der/die Künstler*in versteht sich dabei nicht als solitär Schaffende/r, sondern als interagierend wirkend; und die künstlerische Arbeit selbst nimmt im besten Fall in produktiver Weise Stellung zu ihrem Bezugsrahmen. Nach einigen Jahrzehnten der Ortsspezifik ist auch dieses Verfahren in die kunstwissenschaftliche Logik eingebunden und zum künstlerischen Stilelement geworden. Das emanzipatorische Erbe ging deswegen jüngst in den noch viel weiter ausgreifenden Begriff ‘Situation’ über, der sich nun an der Expansion der örtlichen Verbundenheit übt.

Teilhabe 1

Varsha Nair

PARTICIPATION (to opt or be invited for, to become ‘part and parcel’ of) is integral to community and not just in a social sense, but economic and political as well - be it in a quiet, muted way, or fully hands-on and vocal. Zoomers, Bloggers – anyone partaking in now seemingly ubiquitous screen-based connections – all are willing or reluctant participants.

One way of defining PARTICIPATION given the strange and unsettling world in which we are suddenly living in, in which being in ‘isolation’ somewhat intensifies the word’s given meaning, is to look at things from the other side, from what things in life are NOT.

PARTICIPATION IS NEITHER:
Alienating, Paralysing, Distancing
Being Cut Off
Made Voiceless / Invisible
Feeling Irrelevant / Nonessential
Being seen as Outsiders, Misfits
NOR about remaining Unembraced

Teilhabe 2

Nika Spalinger

Der Begriff Teilhabe ist seltsam und regt zu Wortspielen an. Warum heisst es Teil-Haben und nicht Teil-Sein, Teil-Geben oder Teil-Nehmen?
Denn: Geben ist zwar seliger denn Nehmen. Doch: die, die Haben werden nichts geben, darum müssen die, die nicht Teil am Haben haben, sich ihren Teil nehmen.

Tier

Nika Spalinger

Zwischen dem menschlichen und den übrigen Tieren herrscht eine ambivalente Beziehung. Sie ist durch Abhängigkeiten, dem Changieren zwischen Liebe, Faszination und Objektifizierung, Grausamkeit, zwischen akribischer wissenschaftlicher Beobachtung oder Identifikation geprägt. Yuval Noah Harari schreibt in seinem Buch Homo Deus, dass sich der Mensch gegenüber anderen Tieren wie ein Gott aufführt: kein gnädiger oder gerechter Gott. Harari spekuliert, dass der zukünftige, dank artifizieller Intelligenz und Biotechnologie «verbesserte» Mensch, der neue «Homo Deus», mit den «niederen» Mitmenschen gleich umgehen wird wie wir mit unseren Mit-Tieren. Der Homo Sapiens hat die Vielfalt der grossen Tiere durch domestizierte Tiere verdrängt. Sich als Mensch, anders als von Harari beschrieben, gleichberechtigt im Austausch mit allen anderen Lebe-Wesen wie auch Dingen zu begreifen und danach zu handeln ist schwierig. Die künstlerische Umkreisung, Annäherung, Beschreibung dieser rätselhaften Beziehung, die gedankliche Auseinandersetzung auf Fährten, wie sie Donna Haraway in ihrem Buch «Staying with the Trouble» (2016) oder Anna Tsing Lowenhaupt in «The Art Of Living On A Damaged Planet» (2017) gelegt haben, sind hilfreiche «Stepping-stones» auf diesem Weg.

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Schule im Netz / Ausstellungszentrum
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